Nachdem vor einigen Jahren Sasha Grey ständig interviewt wird, geht es jetzt in der TAZ weiter mit Ray DeGrey, ebenfalls BDSM-Model und "Talentdisponentin": http://taz.de/Fetischmodel-ueber-sexuel ... n/!147379/
Mir verschließt sich ihre Botschaft leider. Eine Stelle hat mich aber aufmerken lassen:
Ich sehe das als zentrales Problem der BDSM-Szene auch in Deutschland: Die meisten haben zwar viel Kontakt mit der Vanilla-Welt, weil kaum einer sich in einer BDSM-Blase bewegen kann, die auch das Geldverdienen umschließt. Dann wären da noch Studium und die Familie. Aber alle anderen Kontakte zu Menschen außerhalb der Szene sind nicht nötig. Spätestens mit dem regelmäßigen Stammtischbesuch bilden sich Freundschaften mit anderen der BDSMlern, oft werden auch Partnerschaften innerhalb der Szene geschlossen oder der Partner in die Szene eingeführt. Auch wenn die meisten noch andere Freunde haben: Die Themen Sex und Partnerschaft werden i.d.R. nur mit anderen BDSMlern diskutiert.Sehen das Ihre Nicht-kinky-Freunde auch so?
Ich habe keine. Kinky sein ist meine Berufung, meine Religion. Kink ist wie eine Blase. Alles, was ich machen möchte, befindet sich in dieser Blase. Ich hänge mit Leuten darin ab und arbeite mit ihnen. Ich will diese Blase nicht verlassen. Denn sobald ich das tue, verurteilen mich die Leute. Sie sind unhöflich, gemein und sehen auf mich herab. Und das hasse ich. Die Leute sind Arschlöcher.
Das ist nämlich zunächst befriedigender, eben nicht gegen Widerstände und Missverständnisse diskutieren zu müssen, sondern recht bald zum Wesentlichen zu gelangen. Gleichzeitig erwarten wir vom Rest der Gesellschaft Toleranz, manche sogar Akzeptanz. Das Ergebnis sind dann solche Interviews oder andere Vorgehensweisen, die strukturell von einem "Wir" ausgehend einen "Rest der Gesellschaft" adressieren, aufklären wollen. Wir wissen es dabei besser als die anderen, denn wir haben als einzige praktisches Wissen, kennen uns mit den Begriffen aus. Wie die Investmentbankern sind wir die Experten, wenn es darum geht, wie unsere Welt am besten sein sollte, welche Überlegungen und Regeln uns wichtig sein sollten.
Dabei leben wir tatsächlich in einer Blase, jeder unterschiedlich stark, aber die Szene an sich ist eine Blase, setzt sich selbst die Regeln des Diskurses. Ich verstehe die Unlust des Rests der Gesellschaft an einer wirklichen inhaltlichen und kritischen Auseinandersetzung mit BDSM; es bleibt beim Oberflächlichen. Nicht nur im medialen, auch im persönlichen Bereich: Wenn wir uns als BDSMler zu erkennen geben, verstehen wir uns als Aufklärer, haben dann aber doch nichts anderes anzubieten als die Ergebnisse jahrelanger Selbstbestätigung. Das ist attraktiv für Menschen, die auf der Suche sind nach der Bestätigung, dass es in Ordnung ist, dass sie so sind.
Außerhalb der Szene gilt das nichts. Dort versuchen wir trotzdem, eine Kopie unseres Szene-Diskurses herzustellen, aber mit viel Glück gelingt uns nur, das Thema hier und da in die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn ein Redakteur gnädig genug war oder gerade ein Buch oder Film erscheint. Dabei ist BDSM nicht nur ein privates Thema von BDSMlern, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Die Möglichkeit zur Diskussion besteht immer; aber sie besteht nicht, wenn wir gegenüber Nicht-BDSMlern so tun, als ob es BDSMler wären, als ob sie dieselben Sichtweisen und Probleme haben müssten wie wir.
Leider ist diese Überheblichkeit und Ignoranz in der Szene vorherrschend und nach außen wirkend, im persönlichen wie im öffentlichen Bereich. Solange das so ist, warten wir vergeblich auf einen gesellschaftlichen Durchbruch, auf mehr Toleranz oder Akzeptanz. Dann bleibt es beim Status-Quo, der sich nur aufgrund einer insgesamt liberaler werdenden Gesellschaft ganz langsam verbessert.
Viele Grüße